Mein erstes Buch: Frank Maria Reifenberg

Wir haben Schriftsteller-Kolleginnen und -Kollegen gefragt, wie ihr erstes Buch entstanden ist. Die Antworten sind ebenso unterschiedlich wie spannend, aber eines ist klar: Manchmal muss man ganz schöne Umwege gehen, so wie Frank Maria Reifenberg.

reifenberg_rot_hochLieber Frank, vielen Dank, dass du uns Auskunft gibst. Wie kam es dazu, dass du dein erstes Buch geschrieben hast?
Ich saß in meinem Lieblingscafé herum und hatte nichts zu tun. Das lag daran, dass ich meinen Job in einer PR-Agentur aufgegeben hatte. Eigentlich wollte ich erst einmal ein halbes Jahr (oder auch länger) gar nicht arbeiten. Da sagte mein bester Freund: „Sag mal, Alter, du weißt doch im Kino immer schon nach einer Viertelstunde, wie der Film ausgeht. An der Filmschule (heute: IFS Internationale Filmschule Köln) gibt es einen neuen Ausbildungsgang für Drehbuchautoren. Bewirb dich da doch mal.“
Och, dachte ich, warum eigentlich nicht? Ich hatte noch nie eine fiktionale Geschichte geschrieben, nicht einmal pubertätsverstrahlte Liebesgedichte. Ich hatte zwar absolut keine Ahnung vom Schreiben, schon gar nicht vom Schreiben für den Film, aber als PR-Mann bist du ziemlich gut darin, dich sehr schnell in neue Themen einzuarbeiten, sie so auf den Punkt zu recherchieren, dass ein Kunde dir nachher auch seine fette Kohle anvertraut.
Es gab SEHR viele Bewerber und SEHR wenige Plätze. Wenn die so verrückt sind, dich zu nehmen, wird es schon passen, dachte ich. Sie waren so verrückt. Ich war da 37 und hatte schon die ein oder andere Erfahrung, was mir bei der „Beschleunigung“ meiner Schreiblaufbahn sehr half. Schon lange vorher hatte ich gelernt, den Scheinwerfer nicht auf meine Schwächen, Zweifel und Ängste zu richten, sondern auf die Stärken und die Zuversicht. Das wirkt ganz besonders, wenn man seinen Anfang in der Film- und Fernsehbranche macht, die vom Schein und Glanz lebt.
Beim Abschlusspitch der Drehbücher, die im Laufe der Ausbildung entstanden waren, hatte ich Glück. Mein eigener Pitch war einigermaßen mittelmäßig, aber der erste Sohn meiner Kommilitonin Ania entschied sich, eine Woche früher als geplant auf die Welt zu kommen. Ich sprang für Ania ein und pitchte auch ihren Stoff, so locker und cool, dass einige Leute auf mich aufmerksam wurden. Klar, mit fremden Produkten fällt das PR-Leuten total leicht, so was hatte ich in gefühlten 100 Etat-Präsentationen gemacht. Dieser Pitch sollte sich dann noch als sehr wichtig erweisen.

512P6oaTLMLWie ist dein erstes Manuskript an den Verlag gekommen?
Ich habe dann anfangs sehr viel fürs Kinderfernsehen geschrieben, Adaptionen aus den englischsprachigen Disney-Produktionen für das Vorschulprogramm, Folgen für die Sesamstraße und mehrere von verschiedenen Filmförderungseinrichtungen finanzierte Drehbücher (die allerdings nie verfilmt wurden). Eine Agentur, die eigentlich auf Film, Theater und Fernsehen spezialisiert war, war in der Abschlusspräsentation der Filmschule auf mich aufmerksam geworden. Wir kamen ins Gespräch und nach ein paar Wochen fragte der Agent, ob ich es auch mit einem Jugendbuch versuchen wolle, ein Verlag habe bei ihm angefragt. Ich wollte.
Knapp ein Jahr später kam mein erstes Buch „Immer schön locker bleiben“ im Thienemann Verlag heraus. Gutes Motto, wenn man als Autor sein Geld verdienen will. Ich hatte das unglaubliche Glück gefragt zu werden. Ich musste nie für die Schublade schreiben, musste allerdings auch vom ersten Tag an alles an Versuch und Irrtum auf offener Bühne machen. Das war nicht immer leicht.

Was hat dir am meisten geholfen, was waren die größten Hürden?
Beim ersten Buch war ich total unbedarft und habe einfach losgelegt. Genau wie vor der Filmschule hatte ich eigentlich keine Ahnung, auf was es beim Scheiben eines Romans ankommt. Schon mein ganzes Leben lang mache ich es in solchen Situationen immer gleich: Wenn ich was lernen will, lese ich erst einmal ein Buch. So habe ich sogar Skifahren gelernt. Und viele andere Dinge.
In diesem Fall war es Sol Steins „Über das Schreiben“, das mir der Freund, der mich zur Filmschulbewerbung angestiftet hatte, zur „Einschulung“ schenkte. Den amerikanischen Pragmatismus darin muss man natürlich mit Vorsicht genießen, aber Stein holt das Schreiben so ein bisschen aus dem Geniekult heraus, betrachtet am meisten die handwerkliche Seite. Talent brauchst du, aber das alleine reicht eben nicht.
Und dann zehre ich heute noch von dem, was ich in der Filmschule gelernt habe. Die klassische Hollywood-Filmdramaturgie in drei Akten hilft einem als Orientierung, gerade wenn man für Kinder und Jugendliche schreibt. Man muss sich dann auch wieder davon lösen, aber es bringt einen erst einmal in Fahrt.
„Der Heros in tausend Gestalten“ von Joseph Campbell hilft einem, die archaischen Erzählmuster großer Geschichten zu verstehen, und ich erinnere mich immer wieder an die drei wichtigsten Empfehlungen eines unserer US-Dozenten.
„Conflict, conflict, conflict!“ lautet die wichtigste Regel. Ohne Konflikt, keine Entwicklung. In jeder Szene, in jedem Dialog. Überlege dir, was dein Held will, aber überlege dir mindestens genauso gut, was seine Gegner dagegen tun oder sagen. Die zweite Regel ist: Jeder Held (und auch alle anderen Figuren) haben ein „want“: das, was sie mehr oder minder offensichtlich wollen. Wichtiger ist aber ihr „need“, das, war sie wirklich brauchen. Und das dritte Schlagwort: „Obstacles!“ Auch das stieß er fanfarenartig immer dreimal hintereinander aus. Hindernisse. Leg deinem Held bei jedem Schritt und Tritt Hindernisse in den Weg. Alles, was du deinem Held schenkst, langweilt die Leser schnell, er muss dafür kämpfen.
Sehr wichtig für einen angehenden Autor sind die Leute in seinem Umfeld, die es schaffen, ihn oder sie zu ertragen, die ganzen Selbstzweifel und die schlechte Laune in der Mitte des zweiten Akts, wenn die Geschichte hängt und man denkt, es war sowieso die dämlichste Idee deines Lebens. Sowohl das aktuelle Manuskript als auch das Schreiben überhaupt.

Welchen Tipp würdest du angehenden Autoren geben?
Für mich gehört zum Schreiben auch lesen, viel lesen. Und zwar quer durch den Gemüsegarten, mit dem Bleistift in der Hand. Man kann von anderen durchaus lernen, wie man es macht und auch wie man es besser nicht macht. Dabei geht es nicht darum, andere zu kopieren, sondern zu erkennen, was die Tricks und Kniffe sind, mit denen erfahrene Autoren bestimmte Probleme lösen oder wie sie sich hemmungslos über Probleme hinwegsetzen, die einem selbst gerade das Leben und Schreiben schwer machen.
Wenn du nicht gerade Auftragsschreiber für eine Groschenheftreihe bist, schreib nur, was dich wirklich interessiert, berührt und wozu du wirklich stehst. Die Chance, dass du gutes Geld mit dem Schreiben verdienst, ist so gering, da sollten deine Bücher dir wenigstens Spaß machen.
Verkauf dich nicht unter Preis, mache wasserdichte Verträge und verzichte lieber auf einen Job, wenn du das Gefühl hast, deine Partner sind nicht fair oder die Chemie stimmt nicht.
Bereue nichts und jammre nachher nicht.

91QGkxUH8iLVielen Dank, lieber Frank! Mittlerweile hat der Kölner Autor, der sich auch sehr für die Leseförderung von Jungs engagiert (siehe: http://www.kickenundlesenkoeln.de) satte 35 Bücher im Regal von sich stehen. Im September erscheint der fünfte Band der Reihe „Die Schattenbande“, die Frank gemeinsam mit Gina Mayer schreibt. Im neuesten Band der Reihe, die Kinderkrimis in bester Erich-Kästner-Manier erzählt, heben die Berliner Spürnasen ab und gehen als blinde Passagiere an Bord eines Zeppelins. Auf der Fahrt des Luftschiffs von Berlin nach New York geht nicht alles mit rechten Dingen zu. Einige Passagiere sind nicht die, für die sie sich ausgeben und andere schmieden finstere Pläne. Ein geheimnisvolles Päckchen wird an Bord geschmuggelt und jemand geht ein großes Risiko ein, um in den Besitz der Schmuggelware zu kommen. Aber er hat die Rechnung ohne die Schatten gemacht …

Außerdem neu in diesem Jahr: „60 Sekunden entscheiden über dein Leben – Gefahr in der Arktis“ und „Nie wieder Weihnachten“.