Bernhard M. aus Karlsruhe schreibt uns:
Liebe Münchner Schreibakademie, ich schreibe einen Roman, der auf zwei Zeitebenen im Nachkriegsdeutschland spielt. Beim Überarbeiten war ich regelrecht schockiert, als ich gemerkt habe, dass mein Text vom ständigen „hatte, hatte, hatte“ geradezu verseucht ist. Jetzt, nachdem es mir aufgefallen ist, wird mir klar, was den Text so sperrig und unspannend gemacht hat. Hatte bremst. Aber anders als bei „normalen“ Wortwiederholungen kann ich doch jetzt nicht einfach Zeitformen ändern, oder gibt es da irgendwelche Tricks?
Vielen Dank für Ihre Frage. Mit dem „hatte“–Problem schlägt sich wahrscheinlich jeder herum, der nicht gerade einen Thriller in der Ich-Perspektive und im Präsens schreibt.
Dadurch, dass Sie beim Sprung zwischen den Zeitebenen vom Präteritum ins Plusquamperfekt wechseln, bilden sich automatisch viele „hatte“-Formulierungen. Das liest sich dann vermutlich etwa so: „Er hatte gesagt, er würde pünktlich kommen. Sie hatte Angst gehabt, ihn zu verpassen. Sie hatte schon schwitzige Hände gehabt, als sie losgefahren war.“ In der Tat – das klingt wie ein Schulaufsatz.
Die meisten Autoren kennzeichnen den Sprung in die zweite Zeitebene dadurch, dass sie die ersten ein, zwei Sätze des neuen Absatzes in das Plusquamperfekt setzen und anschließend normal im Präteritum weitererzählen. Am Ende des Absatzes benutzt man wieder für ein, zwei Sätze das Plusquamperfekt und macht dann im Präteritum in der erste Zeitebene weiter. Dies ist eine elegante und allgemein anerkannte Methode, die allerdings nur funktioniert, wenn die zweite Zeitebene nicht nur für drei oder vier Sätze gebraucht wird.
Also: „Er hatte gesagt, er würde pünktlich kommen, erinnerte sie sich. Trotzdem hatte sie schon beim Losfahren schwitzige Hände gehabt. Als die Tram hielt, drängelte sie sich zwischen den Wartenden durch.“ – Und nicht: „Als die Tram gehalten hatte, hatte sie sich durchgedrängelt.“
Darüberhinaus sollten Sie aber dennoch prüfen, ob Sie nicht an der ein oder anderen Stelle umformulieren können. Schauen Sie, dass Sie möglichst häufig starke Verben verwenden. Aus einem „Sie hatte schwitzige Hände.“ wird dann besser „Ihre Hände waren verschwitzt.“ – Natürlich muss man sich dann vorsehen, nicht zuviele „waren“ im Satz zu haben – aber immerhin können Sie somit schon mal etwas Variation hineinbringen.
Zum guten Schluss könnten Sie auch Folgendes überlegen: Da Sie in Ihrem Roman durch die zwei Zeitebenen vermutlich auch zwei verschiedene Perspektiven haben, könnten Sie für jede Ebene eine andere Zeit verwenden – also etwa die Gegenwart im Präsens schreiben und die Vergangenheit im Präteritum. Oder Sie verwenden für besonders lebhafte, eindringliche und dramatische Episoden das Präsens – als sei der Protagonist im Erinnern noch einmal voll in der Situation. Das kann eine sehr fesselnde Dynamik erzeugen. Wenn Sie in einer der Zeitebenen ins Präsens fallen, haben Sie in jedem Fall mit sehr viel weniger „hatte“ zu kämpfen.
Wer beim Planen oder Schreiben nicht weiterkommt, darf uns gerne kontaktieren – wir werden Ihre Probleme stellvertretend vorstellen und knackige Sofort-Hilfe-Tipps geben (wenn möglich mit Buchempfehlungen zum Vertiefen des Themas). Fragen bitte schicken an: schreib@münchner-schreibakademie.de