Das Drama mit der Dramaturgie

Gregor W. aus Recklinghausen schreibt:
Liebe Münchner Schreibakademie, ich schreibe gerade meinen ersten Roman im Genre Krimi, habe dazu viele Schreibratgeber gelesen und versuche nun, alles, was ich da gelesen habe umzusetzen. Leider muss ich feststellen, das funktioniert nicht so richtig. Vor allem wenn es um die Dramaturgie geht, weiß ich oft nicht weiter. Mir schwirrt schon der Kopf vor lauter Plotpoints, Midpoints, Pinch Points, Klimax und was es so alles gibt. Ich schaffe es einfach nicht, meine Geschichte danach auszurichten. Habt Ihr einen Tipp?

Vielen Dank für Ihre Frage, die viele – nicht nur angehende – Autorinnen und Autoren beschäftigt. Vor allem beim Schreiben von Genre-Literatur, wo der Schwerpunkt mehr auf der Handlung liegt, haben Dramaturgiemodelle Konjunktur. Diese haben ihre Ursprünge häufig in der Filmdramaturgie und werden gerne genutzt, da sie, wie viele Bücher beweisen, auch oft bei Romanen funktionieren. Wir glauben, dass Dramaturgiemodelle gerade für AnfängerInnen ein wichtiges Hilfsmittel sind, um sich im Dschungel des Geschichtenerzählens zurecht zu finden. Oft verliert man den Überblick: Wie müsste mein Held jetzt reagieren? Wann bringe ich eine überraschende Wendung? Darf so weit am Ende noch eine neue Figur auftauchen?

Hat man bei der Planung einen Blick auf die Dramaturgie geworfen, wird man bei der Ausführung – beim Schreiben – der Geschichte sicherer. Dafür ist diese gut. Aber man sollte sich natürlich nicht sklavisch an die Vorgaben halten – es lebe die Planung, die später über den Haufen geworfen werden kann. Ganz ehrlich: Das Ersinnen eines Plots ist so komplex, dass es für die allermeisten AutorInnen nicht möglich ist, schon am Anfang alles bis ins kleinste Detail vorauszuahnen. Welche Möglichkeiten oder Hindernisse eine Plotidee bei der Ausführung dann bietet, merkt man oft erst, wenn man die entsprechende Szene schreibt. Von daher raten wir Ihnen, sich nicht sklavisch an ein Modell zu halten, sondern es  als Ausgangspunkt zu nehmen. Vielleicht hilft es Ihnen, nur die fünf wichtigsten „Meilensteine“ in einer Geschichte zu kennen:

1. Das auslösende Ereignis am Anfang, das die Haupthandlung in Gang setzt,

2. der erste Plotpoint, der den Punkt bezeichnet, ab dem der Held nicht mehr umkehren kann,

3. der Midpoint, bei dem der Held alles bisher Erlebte aus einer neuen Perspektive bewertet,

4. der zweite Plotpoint, der wiederum alles umkehrt und

5. das Ende.

Sinnvoll sind diese Meilensteine vor allem, um zu wissen, wann wir was erzählen. Gibt es gleich am Anfang die dramatischste Szene von allen und keine Steigerung ist mehr möglich – dann wird der Rest des Romans mit Sicherheit langweilig ausfallen. Lassen wir den Mörder erst auf der vorletzten Seite auftauchen, wird der Leser sehr irritiert sein. Die Dramaturgie hilft uns, alle Elemente in ein sinnvolles Verhältnis zueinander zu setzen. Aber sie sollte nicht so starr angewendet werden, dass es unseren kreativen Schreibfluss behindert – solange dieser fließt, ist alles gut!

Wer tiefer in die Materie eindringen will, dem sei empfohlen: Larry Brooks: Story Engineering, Ohio, 2011
oder vom Kollegen Stephan Waldscheidt: Plot & Struktur, 2016

Wer beim Planen oder Schreiben nicht weiterkommt, darf uns gerne kontaktieren – wir werden Ihre Probleme stellvertretend vorstellen und knackige Sofort-Hilfe-Tipps geben (wenn möglich mit Buchempfehlungen zum Vertiefen des Themas). Fragen bitte schicken an: schreib@münchner-schreibakademie.de

 

Warum Orthographie tatsächlich wichtig ist

Thea L. aus Gilching schreibt uns:
Liebe Münchner Schreibakademie, bisher dachte ich immer, dass es total okay ist, wenn ich beim Schreiben sehr kreativ mit der Rechtschreibung und Grammatik umgehe, schließlich bin ich nicht mehr in der Schule beim Deutschunterricht. Jetzt wollte ich meine Geschichte an Verlage schicken, aber mein Mann, der sich sonst nicht die Bohne fürs Schreiben interessiert, behauptet, so voller Fehler könne ich das nicht wegschicken. Aber es gibt doch im Verlag genau dafür Lektoren oder nicht?

Vielen Dank für Ihre Frage. Wir müssen Ihrem Mann recht geben!
Natürlich sind die wenigsten Manuskripte, die ein Verlag bekommt, vollkommen fehlerfrei und ja, es gibt in Verlagshäusern ein Korrektorat, das sich darum kümmert, sprachliche und grammatikalische Fehler auszumerzen. Trotzdem sollten Sie bedenken, dass Ihr Manuskript die Eintrittskarte in einen Verlag darstellt. Viele Lektoren legen einen Text, auf dem es schon in den ersten Zeilen nur so von Rechtschreibfehlern wimmelt, schnell zur Seite.

Zum Schreiben gehört unserer Meinung nach dazu, dass man auf die Sprache achtet – sie transportiert schließlich unsere Geschichte. Holpert die Orthographie wie schlecht verlegte Bahnschwellen wird der Zug „Roman“ nie oder nur sehr mühsam am Ziel ankommen. Und womöglich werden die Reisenden, Ihre Leser, der Geschichte überdrüssig und steigen unterwegs aus.
Falls Sie sich mit Rechtschreibung und Grammatik schwer tun, könnte ein spezielles Computerprogramm für Autoren für Sie hilfreich sein, z.B. Papyrus Autor. Diese Software arbeitet mit der aktuellen Duden-Rechtschreibung, entdeckt zuverlässig die allermeisten Fehler und macht Korrekturvorschläge. Aber vielleicht haben Sie ja auch einen sehr gründlichen Deutschlehrer im Bekanntenkreis, der Ihren Text gegenlesen kann, bevor Sie ihn wegschicken.

Wer beim Planen oder Schreiben nicht weiterkommt, darf uns gerne kontaktieren – wir werden Ihre Probleme stellvertretend vorstellen und knackige Sofort-Hilfe-Tipps geben (wenn möglich mit Buchempfehlungen zum Vertiefen des Themas). Fragen bitte schicken an: schreib@münchner-schreibakademie.de

 

 

Alles eine Frage der Perspektive …

Lukas F. aus Füssen schreibt uns:
Liebe Münchner Schreibakademie, ich habe meinen Fantasyroman jetzt komplett durchgeplottet, alles recherchiert, und meine Figuren stehen auch. Aber ich frage mich, in welcher Perspektive ich schreiben soll. Haben Sie einen Tipp für mich?

Vielen Dank für Ihre Frage. Es ist auch für uns nicht immer einfach, sich für eine Perspektive zu entscheiden. Ohne Ihren Stoff genauer zu kennen, können wir natürlich keine Empfehlungen aussprechen, aber vielleicht kann das Folgende ja dabei helfen, Ihre Entscheidung leichter zu machen.
Die Wahl der Perspektive hat deutlichen Einfluss auf die Dramaturgie der Geschichte, auf die „Stimme“ Ihres Textes und sie bestimmt die Möglichkeiten der Informationsvermittlung.
Der Ich-Erzähler ermöglicht die größte Nähe zwischen Figur und Leserin und kann viel Empathie erzeugen. Doch aus dieser Perspektive können Sie nur die Dinge erzählen, die dem Ich-Erzähler auch bekannt sind – das heißt, Sie schildern die Geschehnisse nur aus der Sicht einer Figur und können nicht beschreiben, was im Inneren einer anderen Figur vor sich geht, solange diese sich nicht in einem Dialog o.ä. dazu äußert.
Bedenken Sie auch: Ein Ich-Erzähler kann nur schwer Geheimnisse vor dem Leser verbergen! Wenn er z.B. einen Mord begangen hat und dies verheimlicht werden soll, in dem er einfach nicht daran denkt, ist das unrealistisch. Als bekäme man gesagt, man solle jetzt nicht an ein rotes Klavier denken. Geht nicht, oder?
Wenn Sie plötzlich (und womöglich nur einmalig) in die Innensicht einer anderen Figur wechseln, wird der Leser darüber stolpern und unschön aus der Illusion der Erzählwelt herausgerissen. Er spürt dann den Erzähler und wird daran erinnert, dass alles „nur“ ausgedacht ist. Und das will weder der Autor noch der Leser!

Wählen Sie hingegen einen allwissenden, den sogenannten auktorialen Erzähler, erlaubt Ihnen das wechselweise aus der Sicht jeder Figur zu erzählen. Sie schweben „gottgleich“über allen Figuren, berichten von Ereignissen, die in der Zukunft oder Vergangenheit liegen, geben Zusammenhänge zwischen den Figuren und jedwede Ihnen relevant erscheinende Information preis. Doch der auktoriale Erzähler schafft eine Distanz zwischen Figuren und Leserin, die zu dem erzählten Stoff passen muss. Oft wählt man diese Form etwa bei Familiensagas mit einem weiten zeitlichen Handlungsbogen und viel Personal. Doch aufgepasst: Sie sollten nicht zum großen „Erzählerguru“ werden, der die Figuren zu bloßen Marionetten degradiert.

In vielen Romanen gibt es heutzutage die multipersonale Perspektive. Man switcht also von einer Person – er/sie/es – in die nächste, entweder kapitelweise, von Szene zu Szene oder sogar innerhalb einer Szene. Letzteres muss jedoch handwerklich sehr geschickt gemacht werden, damit es den Leser nicht verwirrt. Er sollte nicht den Eindruck haben, man wechselt nur, um bequem eine Information vermitteln zu können.
Beim personalen Erzählen ist man recht nah an den Figuren, kann auch in die Köpfe der Protagonisten schauen, ohne wie bei der Ich-Perspektive zu beschränkt zu sein. Es ist aber auch möglich, die Ich-Perspektive der Hauptfigur mit anderen zu vermengen. Es könnte in Ihrem Roman also ein Feuerdrache aus der Ich-Perspektive erzählen, der Zombie aus einer personalen Er-Perspektive.

Um herauszufinden, welche Perspektive Ihnen am meisten liegt und welche am besten zu Ihrer Geschichte passt, gibt es nur einen Weg – Sie müssen es ausprobieren! Schreiben Sie das erste Kapitel oder die erste Szene aus den verschiedenen Perspektiven und entscheiden Sie dann, was sich richtig anfühlt. Und selbst wenn Sie erst später im Schreiben merken, dass die gewählte Perspektive falsch ist – ändern Sie sie!
Entscheiden Sie sich auf keinen Fall nur aus Bequemlichkeit für den leichtesten Weg – finden Sie vielmehr den, der zu Ihrem Stoff passt!

In vielen Ratgebern wird die Erzählperspektive angesprochen, aber besonders erhellend fanden wir das Kapitel bei James Woods: Die Kunst des Erzählens, rororo, 2013

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