Wir haben Schriftsteller-Kolleginnen und -Kollegen gefragt, wie ihr erstes Buch entstanden ist. Die Antworten sind ebenso unterschiedlich wie spannend. Su Turhan hat die außergewöhnliche Erfahrung gemacht, wie es ist, wenn jemand ein Buch bei einem bestellt.
Lieber Su, berichte uns: Wie kam’s zu deinem ersten Buch?
Die Veröffentlichung meines ersten Buches ist erst dreieinhalb Jahre her. Erstkontakt mit „Kommissar Pascha“ bekam ich durch einen dieser berühmten Anrufe – vollkommen unerwartet am Flughafen, auf dem Weg nach Mumbai zu einem Filmfestival. „Können Sie sich vorstellen, einen Roman zu schreiben, Herr Turhan? Was bayerisch-türkisches?“ Lange habe ich nicht überlegt, bevor ich geantwortet habe: „Logisch, kann ich das.“ Die Anruferin wurde zu meiner Lektorin bei Droemer, wir haben mittlerweile vier Bücher zusammen gemacht. Aber das erste Mal ist natürlich – wie bei allem – etwas Besonderes. Was habe ich mit mir gehadert! Schaffst du nie, kannst du nicht. Ich spürte aber, das etwas in mir brüllte, ein großes Tier mit scharfen Zähnen, das es satt hatte, weggesperrt zu sein. Und ich machte mir bewusst, dass es auch in Bezug auf Filmregie und Drehbuch irgendwann das erste Mal gab. Ich bin Autodidakt. Dinge anzugehen, Mut zu machen, habe ich mir versucht, anzueignen. Das Leben kann man ja auch nicht studieren. Nachdem wir uns auf das Krimigenre verständigt hatten, habe ich mich an einer Leseprobe versucht und gemerkt, wie viel künstlerische Freiheit mich erwartet und ich erzählen konnte, was ich für unterhaltsam, spannend und lesenswert hielt. Aus bestellten dreißig sind rund sechzig Probeseiten geworden. Meine bayerisch-türkische Hauptfigur Zeki Demirbilek war greifbar, authentisch und gleichzeitig fiktional überhöht. Ich bin sehr glücklich, dass der erste Roman verfilmt wird – auch wenn die Story ordentlich entschlackt werden musste. Ich hole nämlich gerne viele Figuren und Erzählstränge auf die Romanbühne, die TV-Bühne bietet da weniger Platz.
Wie lange hat es von der Idee bis zum fertigen Buch, sprich die Veröffentlichung in einem Verlag gedauert?
Nicht arg lange in meinem Fall. Ich hatte ja glücklicherweise einen Verlag, der mir von Anfang an das Vertrauen geschenkt hat. Von erster Idee, niedergeschrieben als fünfseitiges Romanexposé in einem Mumbaier Hotel, bis zum Erscheinen von „Kommissar Pascha“ ist ein Jahr vergangen.
Was war besonders schwierig und was hat dir geholfen?
Für mich war es anfangs schwierig, die Denke, die ich vom Drehbuchschreiben her kannte, aus dem Kopf zu verbannen. Schwierigkeiten hatte ich nicht, was ich erzählen wollte, sondern wie ich meine relativ komplexen Stories für den Leser aufbereiten sollte. Als studierter Germanist wusste ich, was Erzählperspektiven sind, was das Verweben von Erzählsträngen bedeutet, doch diese literarischen Mittel zu bedienen, war im ersten Pascha-Manuskript ein Balanceakt. Stichwort Kamerastandpunkt, Schnitt und Kardrierung des Bildes und das affektsteuernde Allheilmittel genannt Filmmusik – da kam ich her, vom filmischen Erzählen. Im Roman habe ich diese Mittel natürlich nicht. Wechselnde Perspektiven irritieren den Leser, weil er eine andere Art erzählerischer Orientierung gewohnt ist. Ich schreibe recht visuell, sagt man mir nach, dennoch findet man nicht viel Beschreibung in meinen Romanen. Ich hole lieber den Leser als Partner ab, lade ihn ein, sich selbst auszumalen, quasi lesend mitzuschreiben oder zu inszenieren wie z.B. eine Gaststätte von Innen aussieht oder wie das Blut die Wange eines Opfers entlang gleitet. Ballastfreies Erzählen, nenne ich das. Geholfen hat mir bei den Romanen die Disziplin, die ich vom Drehbuchschreiben her kannte. Warten auf eine schmusende Muse ist nicht drin.
Und hast du vielleicht noch einen Tipp für angehende Autoren?
Schreibe bis es wehtut, angehender Autor. Täglich, auch an Weihnachten, nur an den Geburtstagen der leiblichen Kinder nicht. Der Schmerz beim Schreiben lässt je nach Konstitution mal früher, mal später nach. Dann wird es besser. Versprochen. Wenn das Schreiben an einer Geschichte nicht von der Hand geht, egal, weiterschreiben. Schreiben macht süchtig. Lasst Dich auf die Sucht ein – eine befriedigendere Droge gibt es nicht.
Ganz frisch und passend zur Münchner Wies’nzeit ist am 1. September der vierte Fall für Kommissar Pascha erschienen. Und darum geht’s:
Kaum ist Anstich, schon ist die Wiesn wieder vorbei. Es herrscht Katerstimmung auf der Münchner Theresienwiese – zumal die Schausteller und Budenbesitzer bei den Abbau- und Auffräumarbeiten einen schier unfassbaren Fund machen. Drei Leichen in einem Müllhaufen. Zeki Demirbilek alias Kommissar Pascha muss sein Romantikwochenende in Istanbul abbrechen, denn einer der Toten hat nicht nur dem Augenschein nach ausländische Wurzeln. Doch ohne Oktoberfest-Experten Kommissar Pius Leipold läuft auf bayerischem Hoheitsgebiet nichts. Als Leipold nach der Befragung einer Tatverdächtigen spurlos verschwindet, geht Zeki zwischen leeren Bierzelten und skelettierten Fahrgeschäften selbst auf Spurensuche. Mit leidenschaftlicher Gründlichkeit und dem ein oder anderen Weizen rückt der bekennende Münchner Türke Zeki Demirbilek dem Verbrechen zu Leibe.
Foto des Autors: Röleke