Freier Freitag – Lyx-Storyboard

Hier und heute: alles quer durch den Autorinnen-Alltag

Kennt Ihr Lyx-Storyboard?

egmont-lyx-storyboard_welten_teaser_218x218pixDer Egmont-Lyx-Verlag hat sich auf die Fahnen geschrieben, Leser und Autoren zusammenzubringen. Auf der Internet-Platform Lyx-Storyboard können (angehende) Autoren ihre Texte, Bücher veröffentlichen und die ersten Leser und vor allem Leserstimmen finden. Etwa alle drei Monate wird das Lyx-Talent gekürt, dessen Buch als Ebook bei Lyx veröffentlicht wird. Immer wieder bekommen die Storyboard-Autoren Unterstützung durch Blog-Gastbeiträge von renommierten Autoren.

Interesse? Hier geht’s zu Lyx-Storyboard

Auch Bettina Brömme durfte bereits für  den Lyx-Storyboard-Blog schreiben. Hier ihr Gastartikel zum Thema „Wenn die Geschichte plötzlich streikt“:

Zärtlich berührten sie seine Hände, er blickte ihr fest in die Augen und senkte dann ganz langsam seine Lippen auf ihre. Nachdem er sie endlos geküsst hatte, löste er sich von ihr und sagte: … und sagte: … UND SAGTE …

Ja, was denn bloß?

Da hat man sich voller Verve an den Schreibtisch gesetzt, Szenen aus dem Roman-to-be sind vor dem inneren Augen aufgeleuchtet, funkelnde Dialogzeilen perlten als akustische Halluzination an einem vorbei, die Geschichte fegte durchs Gehirn, in den Fingerspitzen kribbelte es. Und dann – nach 20, 30 Seiten Schreibrausch – nichts mehr, niente, nada. Nur ein großes Fragezeichen. Und jetzt?

Zurück auf Anfang. Was? Wieso das denn? Man ist ja nicht unzufrieden mit den ersten Seiten, einen Knaller von erstem Satz, eine wahnsinnig sympathische Figur, die die Leserin sofort ins Herz schließen wird und ein Konflikt, der sich gewaschen hat. Alles da. Aber warum geht es dann nicht weiter?

Beim Schreiben gibt es so viele verschiedene Typen wie in allen anderen Berufen auch. Es gibt die Plotter, die den letzten Satz schon kennen, bevor sie den ersten überhaupt hingeschrieben haben, die jede Gefühlszuckung ihrer Protagonistin eingeplant haben und wissen, welches Kleid die Antagonistin in der Szene gleich nach dem Höhepunkt trägt. Es gibt die „Pantser“, die sich den Hintern platt sitzen, Seite um Seite voll schreiben, dabei der vagen Idee im Kopf hinterherjagen und plötzlich 700 Seiten vorweisen können. Haben sie sich der eigentlichen Geschichte dadurch angenähert, schmeißen sie 400 der 700 Seiten weg und schreiben die restlichen 300 komplett um. Es gibt die Grübler, die eine einzige Seite am Tag unter Qualen aufs Blatt werfen, sich aber sicher sind, dass die Lektorin kein Komma mehr ändern wird. Die Schnellschreiber dagegen bringen es locker auf zehn, zwölf, wenn es sein muss 20 Seiten am Tag – um anschließend zu überarbeiten und zu ändern und zu formen. Egal, welcher Typ man ist: Schreiben ist Arbeit und die fängt nicht erst an, wenn man die ersten Buchstaben der Geschichte aufs Papier bringt.

Anschlussschwierigkeiten passieren den Besten

Welchen Weg man geht, ist sicher Typsache, aber sicher ist auch: Ins Stocken, Zaudern und Zagen gerät jeder mal. Egal ob man ein großer Plan oder ein wilder Sponti ist. Ich spreche hier nicht von einer Schreibblockade, die wahrscheinlich eher mit der psychischen Befindlichkeit des Autors zu tun hat und nicht mit dem Gegenstand der Geschichte, sondern von der schlichten Frage: Wie soll es weitergehen?

Ich persönlich bin ein Mischtyp. Meistens kenne ich meine Geschichte ziemlich gut, bevor ich anfange, aber ich lasse ihr so viel Platz, dass sie sich im Laufe des Schreibens noch verändern kann. Wenn’s mir gut geht, schreibe ich schnell, wenn nicht, komme ich nur mäßig voran.

Worauf ich (inzwischen) Wert lege, ist, dass das Gerüst von Anfang an zumindest einigermaßen hinhaut. Ich kenne, wenn ich loslege, den ersten Wendepunkt, den Höhepunkt, den zweiten Wendepunkt und die große Konfrontation ganz am Ende – ganz klassisch. Genau so wichtig ist für mich zu wissen, ob meine Heldin den Weg „oben rum“ oder „unten rum“ geht. Das heißt: In etwa der Mitte des Buches, also am Höhepunkt, kann die Heldin gefühlsmäßig ganz oben oder ganz unten sein. Im ersteren Fall meint sie, sie hat ihr Ziel erreicht und ist so glücklich wie nie – und dann kommt der herbe Abstieg ins Tal der Finsternis, durch das sie durch muss, um etwas zu lernen. Im zweiteren geht sie gleich unten rum – das heißt, am Höhepunkt ist sie quasi dem Tode nah und muss sich mühsam zurück ans Licht kämpfen. Für Thriller bietet sich meist der Weg „unten rum“ an, für Komödien der „oben rum.“

Frischluft und Duschen

Aber egal wie gut sich meine Planung im Vorfeld angefühlt hat: Auch ich komme in Situationen, in denen ich einfach nicht mehr weiß, wie es jetzt weitergehen soll. Ich sehe mir dann meine Dramaturgiepunkte an und fühle mich hilflos, ich denke nach und weiß irgendwann gar nicht mehr worüber, ich checke Facebook, Emails und sogar den Anrufbeantworter, räum‘ die Waschmaschine aus oder klettere unter die Dusche (wo mir meist die besten Ideen kommen).

Manchmal hilft Bewegung an der frischen Luft. Spätestens da merke ich, dass ich mich nicht nur mit meiner Heldin befassen darf. Oft hilft mir die Frage „Was machen die anderen Figuren gerade?“ am meisten weiter. Denn meist tendiert man dazu, genau wie im eigenen Leben, die Handlung nur aus Sicht der Hauptfigur zu sehen.

Überlege ich aber: Was macht ihr Freund, ihre Freundin, ihre Mutter oder der böse Chef?, wird mir etwas Wichtiges wieder klar: Im Roman geht es immer um Aktion und Reaktion – die meiste Handlung besteht aus einer beinahe regelmäßigen Abwechslung zwischen diesen beiden Polen. Oft geht es nicht weiter, wenn ich nicht weiß, was meine Heldin als nächstes tut und dann muss ich klären: Bin ich an einem Punkt, an dem sie agiert oder reagiert. Wen trifft sie mit ihrer Aktion? Und wer fordert von ihr eine Reaktion? Die wiederum was auslöst? Was hat die Nebenfigur in der Zeit erlebt, in der meine Heldin durch die Geschichte wanderte?

Das alles muss nicht im Roman stehen – aber ich als Autorin muss es wissen. Denn dann kommt mir meist ganz schnell eine Idee, wie es mit meiner Heldin weiter geht. Anschließend heißt es: Schnell zurück an den Computer und den Schreibrausch voll genießen.