Und – schwupp – da ist der November fast schon rum – und damit der „National Novel Writing Month“. Wir schalten um zu unserer Schweizer Schreib-Korrospondentin Dorothe Zürcher und sind gespannt, wie weit sie es mit ihrem Roman gebracht hat.
Endlich kann Renia ihrer großen Liebe Kelio um den Hals fallen. Zusammen hetzen sie durch eine zerstörte Stadt. Eifersüchtige Intriganten, machthungrige Geschwister, Feuersbrünste – nichts kann die beiden mehr auseinanderbringen. Die Szene läuft wie ein Film vor mir ab. Ein Film, dem ich fasziniert folge, da ich ihn selber nicht kenne. Bricht das Haus, neben dem sie sich eben ausruhen, in sich zusammen? Das Haus bricht zusammen! Wie reagieren sie? Was empfindet Renia? Wie hole ich sie jetzt hier wieder raus, ohne dass die Szene kitschig wirkt? Es schreibt. Schon hasten sie weiter. Soll ich noch die Erde beben lassen?
Noch nie habe ich so unvoreingenommen geschrieben, noch nie ließ ich mich einfach treiben, ohne eine Ahnung zu haben, wohin das Ganze führt. Und es geschieht. Gerade begegnen sie dem seltsamen Kerl, den ich vor zwei Wochen eingeführt habe. Mittlerweile habe ich ihn fast vergessen. Aber Renia ahnt, dass er eine Schlüsselrolle spielt.
Ob ich meine Red Bull- und Kaffee-Vorräte schon aufgebraucht hätte, werde ich per Mail vom NaNo-Team gefragt. Überhaupt nicht. Oft fahre ich nach der Arbeit müde und abgekämpft den Computer hoch, um das Tagessoll zu tippen. Dann beginnt der Tamonia-Film und ich tauchte ein, werde hellwach, leide und lache mit meinen Protagonisten.
Die 50 000 Wörter? Ende der Woche werde ich sie getippt haben. Digital wird mir der Siegerinnen-Badge überreicht. Jubelnde Emojis werden meine Mailbox füllen. Renia wird dann aber noch nicht am Ziel ihrer Träume sein. Also werde ich weiterschreiben. Ich kann sie jetzt unmöglich hängen lassen.
„Eine goldene Drachenstatue thronte darin, die Krallen erhoben, den Mund mit den großen Reißzähnen geöffnet. Nur die Augen fehlten. Als Renia den Raum betrat, knirschte es unter ihren Füßen. Tausende goldenblitzende Splitter lagen auf dem Boden herum.
„Von wegen keine Magie“, flüsterte sie und hatte das Gefühl aus den zerborstenen Augen würde ihr ihr Antlitz tausendfach widergespiegelt.“ (Aus: Tamonia – das goldene Zeitalter)